Der charismatische Engländer mit der schwarzen Melone und der unvermeidlichen Zigarre führt Großbritannien mit sicherem Instinkt durch den Zweiten Weltkrieg und befreit Europa vom Terror der Nationalsozialisten – Winston Churchill ist eine der schillerndsten Figuren der politischen Bühne Europas und gilt als bedeutendster Staatsmann des zwanzigsten Jahrhunderts
Winston Leonard Spencer Churchill wird am 30. November 1874 als Sohn des konservativen Politikers Lord Randolph Spencer Churchill und der amerikanischen Millionärstochter Jennie Jerome auf dem Schloss seines Großvaters John Winston Spencer-Churchill Blenheim-Palace bei Woodstock/Oxford geboren.
Winston Churchill besucht von 1881 bis 1892 mehrere Eliteschulen – dort kann er sich nur schwer mit dem autoritären Erziehungsstil arrangieren und bleibt mehrere Male sitzen. Nach dem Abschluss der Schule kommt er nach einigen vergeblichen Anläufen als Kadett nach Sandhurst und mit einundzwanzig Jahren als Kavallerie-Leutnant zum vierten britischen Husarenregiment. In jener Zeit erwirbt er sich eine solide literarische Bildung, er beginnt zu schreiben und pflegt bis zu seinem Lebensende einen geschliffenen Stil, der ihm 1953 den Nobelpreis für Literatur einbringt.
Als junger Soldat wird Winston Churchill an mehreren Kriegsschauplätzen eingesetzt – unter anderem auf Kuba auf Seiten der Spanier während des dortigen Unabhängigkeitskrieges sowie bei mehreren Niederschlagungen von Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb des britischen Empire.
1901 wird Winston Churchill als Konservativer des Wahlkreis Oldham ins britische Parlament gewählt – kurze Zeit später tritt er zu den Liberalen über, was ihn bei den Konservativen verhasst macht und ihm einen Ruf als unberechenbarer Opportunist und Freund der kleinen Leute einbringt, der ihm lange anhaftet. Auf der politischen Skala wandert er weiter nach links und zeigt schon damals den Ehrgeiz, einmal Premierminister zu werden.
1908 heiratet Winston Churchill Clementine Hozier, mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleibt – gemeinsam haben sie die Kinder Diana, Randolph, Sarah und Mary.
1911 wird Winston Churchill zum Marineminister ernannt – in dieser Funktion bestimmt er Großbritanniens Verhalten während des Ersten Weltkriegs entscheidend mit. 1914 sendet er einen Schiffsverband zu den Falklandinseln, um dort das deutsche Ostasiengeschwader unter Vizeadmiral Graf Spee zu versenken. Dass er durch eine unterlassene Warnung indirekt dafür verantwortlich ist, dass 1915 der Passagierdampfer Lusitania von den Deutschen versenkt wird, bei dem zahlreiche Amerikaner ums Leben kommen und die USA veranlasst in den Ersten Weltkrieg eintreten, ist bis heute nicht belegt.
Als die Briten 1915 die legendäre Dardanellen-Schlacht auf der türkischen Halbinsel Gallipoli mit hohen Verlusten verlieren, muss Winston Churchill seinen Posten als Marineminister abgeben. Sein Ruf ist auf weiteres ruiniert – trotzdem wird er bereits 1917 zum Munitionsminister ernannt. Er forciert den Bau der damals völlig neuartigen Panzer („Tanks“), die in der Endphase des Krieges eine entscheidende Rolle spielen und erkennt als einer der ersten das zukünftige militärische Potenzial von Flugzeugen.
Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges ist Winston Churchill in loser Reihenfolge Minister für Koloniales, für Luftfahrt und für Verteidigung – Kritiker meinen, er wechsele seine Ämter „wie andere Leute Hüte“. 1919 befürwortet er eine britische Intervention im Russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen Armee – er ist der Meinung, dass der Bolschewismus „bereits in der Wiege erwürgt werden“ müsse. Die Einmischung bleibt erfolglos, Winston Churchill tritt erneut zu den Konservativen („Torys“) über und wird 1924 bis 1929 unter Premier Stanley Baldwin Finanz- und Wirtschaftsminister. 1931 wird er bei einem Verkehrsunfall in New York verletzt – ein Jahr lang zieht er sich aus der Politik zurück.
Wie die meisten konservativen Politiker jener Jahre unterschätzt auch Winston Churchill Adolf Hitler zunächst, erkennt dann jedoch, dass dessen Politik auf einen weiteren Krieg hinausläuft. Er lehnt die Appeasement-Politik der britischen Regierung ab, was ihm in weiten Teilen der britischen Bevölkerung den Ruf eines Kriegstreibers einbringt – seine Landsleute bezeichnen ihn als einen Politiker, der seine beste Zeit hinter sich hat. Er zieht sich zurück und widmet sich der Malerei und seiner journalistischen und schriftstellerischen Arbeit – in den dreißiger Jahren gilt er als bestbezahlter Autor der Welt. In dieser Zeit des inneren Exils – „The Wilderness Years“ („Jahre in der Wildnis“) – pflegt er weiterhin politische und gesellschaftliche Kontakte und empfängt auf seinen Abendgesellschaften Gäste wie Heinrich Brüning und Charlie Chaplin.
Spätestens nach dem Anschluss Österreichs, der deutschen Annexion des Sudetenlandes und der Besetzung der „Rest-Tschechei“ erkennen die Briten ihre gescheiterte Appeasement-Politik und Winston Churchills Worte finden zunehmend Gehör – nach dem Überfall auf Polen und dem damit beginnenden Zweiten Weltkrieg wird er mit dem Amt des Marineministers betraut. Nach der missglückten Besetzung der norwegischen Häfen durch britische Truppen tritt der frühere Verfechter der Appeasement-Politik Premier Neville Chamberlain zurück und Winston Churchill wird neuer britischer Premier und Verteidigungsminister.
Adolf Hitler – der in Winston Churchill seinen gefährlichsten Gegenspieler hat und diesen als „Schwätzer und Trunkenbold“ bezeichnet, der ihn daran hindere „große Werke des Friedens“ zu vollbringen, erobert 1940 halb Europa und Winston Churchill fordert in einer eindringlichen Rede von seinen Landsleuten, dass fortan keinerlei Zugeständnisse mehr an Deutschland gemacht werden. Er kündigt den Briten „nichts als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“ an und beharrt auch nach der Niederlage Frankreichs auf einen Sieg um jeden Preis sowie eine bedingungslose Kapitulation Deutschlands – „Wir werden kämpfen bis zum Ende. Wir werden in Frankreich kämpfen, wir werden auf den Meeren und Ozeanen kämpfen. Wir werden mit wachsender Zuversicht und wachsender Stärke am Himmel kämpfen. Wir werden unsere Insel verteidigen, wie hoch auch immer der Preis sein mag. Wir werden an den Stränden kämpfen, wir werden an den Landungsabschnitten kämpfen, wir werden auf den Feldern und auf den Straßen kämpfen, wir werden in den Hügeln kämpfen. Wir werden uns nie ergeben.“ Damit wird er zum Motor des britischen Widerstands gegen Adolf Hitler und zum Symbol des britischen Durchhaltewillens.
1941 unterzeichnet Winston Churchill zusammen mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt die Atlantikcharta, wodurch Großbritannien umfangreiche militärische und wirtschaftliche Unterstützung aus den USA erhält. Nachdem das Deutsche Reich 1940 die Sowjetunion angreift und 1941 die USA in den Krieg eintreten, bildet Winston Churchill die „Große Allianz“ zwischen England, der Sowjetunion und den USA. Auf den Konferenzen von Teheran (1943) und Jalta (1945) bestimmt er gemeinsam mit Theodore Roosevelt und Joseph Stalin („Die großen Drei“) die Kriegsziele der Alliierten. Früh wird ihm bewusst, dass britische Interessen nach dem Krieg nur noch bedingt durchzusetzen sind – noch während der Potsdamer Konferenz (1945) verliert die konservative Partei die britischen Unterhauswahlen und er muss zurücktreten.
1946 warnt Winston Churchill eindringlich vor den Gefahren einer sowjetischen Expansion, mit seinen Worten zur Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ als europäisches Friedensprojekt erlangt er große Popularität als Friedensstifter, er prägt den Begriff „Eiserner Vorhang“ für die Grenze zwischen Ost- und Westeuropa und spricht sich für eine sofortige Einheit Deutschlands aus.
Ein letztes Mal ist Winston Churchill von 1951 bis zu seinem Rücktritt 1955 Premierminister – sein hohes Alter sowie sein schlechter gesundheitlicher Zustand erlauben es ihm nicht mehr, Großbritannien mit der früheren Kraft zu führen.
1953 wird Winston Churchill für sein Buch „Der Zweite Weltkrieg“ der Literatur-Nobelpreis verliehen, Königin Elisabeth II. schlägt ihn wegen seiner Verdienste zum „Ritter des Hosenbandordens“ und 1956 erhält er den „Aachener Karlspreis“ zur „Annerkennung seiner Verdienste des höchsten menschlichen Guts, der Freiheit, und den erfolgreichen Anruf der Jugend, die Zukunft Europas durch Einigung zu sichern“.
Das Deutschlandbild Winston Churchills bleibt stets ambivalent – noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts lobt er die deutsche Sozialversicherung und sieht „nichts, worum diese beiden großen Völker kämpfen sollten“, auch plädiert er gegen das Wettrüsten, das damals besonders zur See gigantische Ausmaße annimmt.
Winston Churchill ist für seine Launenhaftigkeit, seine Unzuverlässigkeit, seine Sprunghaftigkeit und seinen Opportunismus bekannt – mal verkörpert er den radikalen Sozialreformer, mal den reaktionären Imperialisten, der den indischen Unabhängigkeitskämpfer Gandhi einen „nackten Fakir“ nennt. Politische Gegner bezeichnen ihn als „brillanten aber unsoliden Luftikus“, der sich binnen weniger Jahre vom skrupellosen Krieger zum progressiven Politiker wandelt, der hilft, die UNO und Europäische Union mitzubegründen und mit seiner Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ den Weg ins einundzwanzigste Jahrhundert weist.
Winston Churchill stirbt nach mehreren Schlaganfällen mit einundneunzig Jahren am 24. Januar 1965 – er wird drei Tage lang in der Westminster Hall aufgebahrt, anschließend mit einem Staatsakt in der Saint Paul’s Cathedral geehrt und schließlich in der Grabstätte seiner Familie auf dem Saint Martin’s Churchyard in Bladon in der Nähe seines Geburtsorts Woodstock beigesetzt.
Die große Lebensleistung von Winston Churchill ist, den Sieg Adolf Hitlers verhindert zu haben und mit List und Geschick Europa vom Joch der Nationalsozialsten befreit zu haben. Trotz der zahlreichen Toten des Bombenkrieges, für den er mit verantwortlich ist, sind durch seine Unbeugsamkeit Millionen von Menschen gerettet worden. In scheinbar aussichtsloser Lage überzeugt er die Briten, den Krieg nicht verloren zu geben, er stärkt ihren Durchhaltewillen und legt die Grundlagen für die Anti-Hitler-Koalition mit den USA und der Sowjetunion.
2005 wird in London das Winston-Churchill-Museum zu Ehren des großen britischen Staatsmannes eröffnet.