An der Seite ihres Mannes Michail Gorbatschow ist sie während dessen Amtszeit als sowjetischer Regierungschef das charmante Aushängeschild von Glasnost und Perestroika und als First-Lady enorm einflussreich. Raissa Maximowna Gorbatschowa ist der Gegenpart zu den missgelaunten Funktionärsgattinnen früherer Zeiten – westlich gekleidet, kulturell engagiert und hochgebildet trägt die elegante Russin maßgeblich dazu bei, dass ihre Heimat als modernes, weltoffenes und aufgeschlossenes Land wahrgenommen wird
Raissa Maximowna Gorbatschowa wird als Raissa Maximowna Titarenko am 5. Januar 1932 im sibirischen Rubzowsk – das zur Altai-Region gehört – als älteste von drei Geschwistern geboren. Ihr Vater Maxim Andrejewitsch Titarenko ist ein Eisenbahningenieur aus der Ukraine, ihre Mutter stammt aus Sibirien. Von Entbehrungen geprägt verbringt sie ihre Kindheit in Sibirien und im Uralgebiet – nach einem hervorragenden Schulabschluss studiert sie an der renommierten Moskauer Lomonossow-Universität Philosophie und Soziologie, wo sie Michail Gorbatschow kennenlernt, der dort Jura studiert.
1953 heiraten Raissa Maximowna Titarenko und Michail Gorbatschow – vier Jahre später ziehen sie nach Stawropol, wo sie dreiundzwanzig Jahre lang leben und wo Michail Gorbatschow seine Parteikarriere startet. In der nordkaukasischen Stadt arbeitet Raissa Gorbatschowa zunächst in der städtischen Bibliothek, auch unterrichtet sie in Schulen und am Landwirtschaftsinstitut. 1957 kommt Tochter Irina zur Welt, zehn Jahre später dissertiert Raissa Maximowna Gorbatschowa im Fach Soziologie – in ihrer Arbeit setzt sie sich mit der Lebensweise der Kolchosbauern auseinander und weist auf die schwierige Lage der Landbewohner hin.
1978 zieht Raissa Maximowna Gorbatschowa mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach Moskau, wo Michail Gorbatschow Sekretär beim Zentralkomitee der KPdSU wird. Der Umzug in die sowjetische Hauptstadt bringt umfangreiche materielle Privilegien mit sich, dennoch ist sie weiterhin berufstätig. Bis 1985 – dem Jahr, in dem Michail Gorbatschow Generalsekretär wird – lehrt sie an der Lomonossow-Universität in philosophisch-soziologischen Fächern.
In den Jahren 1985 bis 1991 nimmt Raissa Maximowna Gorbatschowa als First Lady der Sowjetunion diverse Ämter war – unter anderem gehört sie zu den Gründern der „Sowjetischen Kulturstiftung“, sie ist Schirmherrin einer Hilfsorganisation für Kinder aus Tschernobyl, einer internationalen Hilfsorganisation von Kinder-Hämatologen sowie der Zentrale des Moskauer Kinderkrankenhaus. 1987 wird sie vom britischen Magazin „Woman’s Own“ zur „Frau des Jahres“ gekürt. Als Begleiterin und Beraterin spielt sie während der Amtszeit ihres Mannes – im Gegensatz zu den Ehefrauen früherer Kremlchefs – eine nicht unwesentliche Rolle. In den folgenden Jahren wird Raissa Maximowna Gorbatschowa von diversen westlichen Universitäten zum Ehrendoktor ernannt.
Während das glamouröse Auftreten von Raissa Maximowna Gorbatschowa im Ausland bejubelt und in den einschlägigen Gazetten ausgiebig gefeiert wird, wird in der Sowjetunion besonders das unkonventionelle und selbstsichere Verhalten der Ehefrau des ersten Mannes im Staate sowie ihr Hang zu westlichen Luxusgütern und ausgedehnten Shoppingtouren auf Auslandsreisen mit Argwohn betrachtet.
Nachdem es 1991 unter Boris Jelzin in der Sowjetunion zum Putsch kommt und Michail Gorbatschow zum Rücktritt gezwungen wird, erleidet Raissa Maximowna Gorbatschowa während der kurzen Arrestierung auf der Krim einen Nervenzusammenbruch sowie wenig später mehrere kleinere Schlaganfälle. Von dem Moment an ist die Gesundheit der ehemaligen First Lady angeschlagen.
Zu Beginn der neunziger Jahre löst sich die Sowjetunion auf und im Zuge der allgemeinen Privatisierung durchlebt das Land enorme Umwälzungen. Während Michail Gorbatschow besonders in Deutschland als einer der Väter der Deutschen Einheit verehrt wird, gilt er in seiner Heimat als Zerstörer des einst mächtigen Sowjetreiches – er wird für die Folgen des wirtschaftlichen Niedergangs Russlands in den neunziger Jahren verantwortlich gemacht. In jener Zeit ziehen sich Raissa Maximowna Gorbatschowa und Michail Gorbatschow weitestgehend aus der Öffentlichkeit zurück.
1997 gründet Raissa Maximowna Gorbatschowa den „Club Raissa Gorbatschowa“, in dem hochqualifizierte berufstätige Frauen sich mit Konferenzen, Wohltätigkeitsaktionen und der Unterstützung konkreter Projekte für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen in Russland einsetzen.
Raissa Maximowna Gorbatschowa stirbt am 20. September 1999 im Alter von siebenundsechzig Jahren in der westfälischen Universitätsklinik Münster an den Folgen eines Krebsleidens. Sie wird in Moskau auf dem Friedhof des Neujungfrauen-Klosters beigesetzt.