Henry Vahl ist bereits ein etablierter Bühnenschauspieler, als er in den sechziger Jahren durch die Fernsehübertragungen der niederdeutschen Stücke aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater zu bundesweiter Popularität gelangt – als „Fernseh-Opa“ der Nation spielt er sich mit seiner kauzigen Art in die Herzen seiner zahlreichen Fans
Am 26. Oktober 1897 kommt Henry Vahl als Sohn eines Fischers im pommerschen Stralsund zur Welt. Nach dem Wunsch seiner Eltern soll er Werftarbeiter werden und wird von ihnen als Lehrling auf die kaiserliche Werft nach Kiel geschickt. Doch schon während seiner Lehre findet der Junge Gefallen an der Schauspielerei und übernimmt kleine Statistenrollen auf Kieler Theaterbühnen. Weil ein Operettenkomiker erkrankt, bekommt Henry Vahl 1915 die Chance, dessen Part zu übernehmen. Von da ab wird er öfter besetzt und spielt auch auf Bühnen in Lübeck, Dresden und Berlin. Jahrzehntelang schlägt er sich jedoch nur mit kleineren Nebenrollen auf den deutschen Theaterbühnen durch.
Erst 1958 stößt Henry Vahl auf das Hamburger Ohnsorg-Ensemble – die Rolle des komischen Alten ist ihm auf den Leib geschrieben und er füllt sie in über hundert Rollen facettenreich und verschmitzt aus. Er ist bereits achtundsechzig Jahre alt, als er zum ersten Mal im Fernsehen zu sehen ist – in „Meister Anecker“ gibt er den Altgesellen Mattern. Henry Vahl springt für einen erkrankten Kollegen ein, und übernimmt dessen Rolle, das Stück wird live übertragen wird und Henry Vahl über Nacht bekannt. Schon damals hat er Schwierigkeiten, seine Texte auswendig zu lernen, seine „Hänger“ sind legendär. Nicht nur einmal muss er auf den rettenden Zuruf aus der Kulisse warten. Da gibt es dann Sätze wie diesen: „Habe lange nichts von Frau Acker gehört. Ich glaube, sie ist tot“ – nicht nur deswegen zählt seine Darstellung im Ohnsorg-Stück „Dat Hörrohr“ zu seinen Sternstunden.
1967 erreicht das Ohnsorg-Theater mit der Verleihung des Fernsehpreises „Der Goldene Bildschirm“ und der Live-Übertragung von „Die Kartenlegerin“ zum Auftakt der Fernsehlotterie „Ein Platz an der Sonne“ den Höhepunkt der Popularität – nicht zuletzt Dank der unvergleichlichen Bühnenpräsenz von Heidi Kabel und Henry Vahl.
1972 scheidet Henry Vahl im Streit aus dem Ensemble des Ohnsorg-Theaters aus, er pausiert ein Jahr und übernimmt im St.-Pauli-Theater die Frauenrolle der „Zitronenjette“, in der er bis 1975 fast zweihundertmal auf der Bühne steht und die zu seinem Markenzeichen wird.
Großen Erfolg hat Henry Vahl auch im Fernsehen im TV-Kriminalfilm „Die rote Geldbörse“ (1966), in dem er eine Hauptrolle spielt. Als Opa Hansen kann man ihn 1971 neben Heinz Erhardt in „Unser Willi ist der Beste“, 1972 in „Grün ist die Heide“ und 1974 in „Frühling auf Immenhof“ sehen. Nebenbei nimmt Henry Vahl auch einige Schallplatten auf – seine erste Platte erscheint als er bereits sechsundsechzig Jahre alt ist – am bekanntesten ist seine LP „Im Leben geht alles vorüber“ von 1972.
Henry Vahl ist der Onkel seines Ohnsorg-Kollegen Edgar Bessen.
1976 erleidet Henry Vahl einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholt. Kurz vor seinem Tod erscheinen seine Lebenserinnerungen „Wie das Leben so s-pielt“.
Henry Vahl stirbt am 21. Juli 1977 im Alter von neunundsiebzig Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung – sein Grab befindet sich auf dem Hamburger Hauptfriedhof Ohlsdorf.