Der als „Öko-Opa“ bekanntgewordene Baldur Springmann ist viele Jahre Gallionsfigur der neu entstandenen „Grünen“ – er selbst bezeichnet sich als Ökosoph. Durch seine völkisch-esoterische Weltanschauung gerät er bald ins Abseits und in den frühen Achtzigern verlässt der religiöse Deutschlandtümler die mittlerweile etablierte Umweltpartei im Streit
Baldur Springmann wird am 31. Mai 1912 im nordhein-westfälischen Hagen geboren – sein Vater Theodor Springmann jr. ist der Erbe eines Hagener Fabrikbesitzers. Bereits nach dem Abitur will er Bauer werden, macht eine landwirtschaftliche Lehre, studiert Landwirtschaft und kauft sich von seinem Erbteil ein Anwesen bei Wismar in Mecklenburg. „Anders leben“ – was die ökologische Bewegung der siebziger und achtziger Jahre bewegt, hat Baldur Springmann Zeit seines Lebens praktiziert. Bereits für den Fünfzehnjährigen ist klar, dass er nicht die Schraubenfabrik des Großvaters im westfälischen Hagen übernehmen will, „dass ich in dieser Art von Industrie, von der ich Todeskälte ausgehen spürte, nicht würde leben und arbeiten können“. Ganz nahe „am Puls des Lebens“ will er sein, und ein „Bauer mit Leib und Seele“.
Zur Zeit des Nationalsozialismus dient Baldur Springmann als Leutnant bei der „Schwarzen Reichswehr“, ist Mitglied beim „Stahlhelm“ sowie Jugendbetreuer beim „Reichsnährstand“. Zudem ist er bis 1934 Mitglied der SA und der SS und ab 1939 Mitglied der NSDAP. Im Zweiten Weltkrieg ist Baldur Springmann zuletzt im Range eines Kapitänleutnants Batteriechef einer Flugabwehrbatterie in Kiel und in Swinemünde. Bei Kriegsende gelingt ihm die Flucht vor der Roten Armee über die Ostsee. 1950 siedelt er sich auf dem Hof Springe im schleswig-holsteinischen Geschendorf an. Er stellt seinen Hof schon bald auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise um. „Als meine Frau und ich damit begannen, den Kunstdünger wegzulassen, haben uns die Leute im Dorf für verrückt erklärt“, betont er in einem Interview.
Mitte der fünfziger Jahre lernt Baldur Springmann auf einer Veranstaltung in Lübeck die „Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft“ kennen – über zehn Jahre ist er Leiter einer Unitarier-Gemeinde in Bad Segeberg. Bald darauf entfremdet sich Baldur Springmann den Deutschen Unitariern und verlässt diese wieder. Er engagiert sich danach in der „Ökosophischen Initiative Kiel“ und versucht Rechtsextremismus, Ökologie und Spiritualität zu verbinden. „Springmann bezeichnet sich als Ökosoph im lebenslangen Bemühen um bäuerliche Lebensart. Als solcher bereitet er eine krude Mischung aus völkisch-esoterischer Religiosität und Ökoromantik auf, in der auch christliche Versatzstücke zu finden sind“, fasst der „Informationsdienst gegen Rechtsextremismus“ zusammen. Baldur Springmann reagiert auf solche Vorwürfe stets gelassen: „Ich bin konservativ, aber nicht reaktionär“.
Dies lässt sich mit Blick auf seine Veröffentlichungen der letzten Jahre in rechten und völkischen Organen sowie auf seiner Homepage bestreiten. Hier findet sich alles wieder, was sämtliche Blut-und-Boden-Ideologen der Bundesrepublik beschworen haben, inklusive feuchter Augen bei der ersten Strophe des Deutschlandlieds. Vor der Anrufung germanischer Gottheiten allerdings hat Baldur Springmann seine christliche Überzeugung bewahrt. „Unsere Religiösität ist keine Konfession, kein Dogma, keine Kirche. Es ist das, was den einzelnen Menschen erst zum wirklichen Menschen macht, was ein Volk erst zu einem wirklichen Volk macht. Es ist die neben tausend immer wieder gebetsmühlenhaft heraufbeschworenen Schatten dennoch alle Hassgesänge leuchtend überstrahlende Lichtseite unseres Volkstums. Und erst wenn von diesem Gotteslicht ein Abglanz hell und weithin aus jedem von uns Volkstreuen strahlt, wenn insbesondere unser politisches Handeln davon durchleuchtet ist, dann erst werden wir uns selbst soviel geholfen haben, daß uns dann auch Gott hilft.“
Baldur Springmann engagiert sich schon in der ökologischen Landwirtschaft, als dieser Begriff noch völlig unbekannt ist- in den siebziger Jahren ist er schleswig-holsteinischer Landesvorsitzender der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher, die sich als erste Partei explizit dem Thema Ökologie zuwendet. 1978 gehört Baldur Springmann zu den Mitbegründern der Grünen Liste Schleswig-Holstein und 1982 gründet er gemeinsam mit Herbert Gruhl die Ökologisch-Demokratische Partei. In der Folgezeit gibt er die aktive parteipolitische Betätigung auf. Nachdem Springmann parteiintern für seine „sektiererischen“ Ansichten kritisiert wird und diese trotzdem in die Partei gegen den Widerstand anderer Mitglieder einbringen will, tritt er 1983 aus der Partei aus. Danach engagiert er sich im Weltbund zum Schutz des Lebens sowie in der Deutschen Aufbau-Organisation von Alfred Mechtersheimer, in dessen Sprechergremium er gewählt wird. 1998 ist er Gründungsmitglied des Bündnis für Volksabstimmung. Als Mitglied im Vorläufigen Sprecherrat der Deutschen Aufbauorganisation Alfred Mechtersheimers setzt sich Baldur Springmann für eine Einigung des zersplitterten rechten Lagers ein. Er warnt vor „der Vertreibung aus unserer Erbmasse und damit der Vernichtung nicht nur unseres sondern jedweden Volkstums“. Im August 2003 tritt er auf dem Pressefest der Deutschen Stimme – einer Zeitung der NPD – auf: „Es bedeutet darüber hinaus besonders für uns Deutsche unseren Einsatz für die spezielle „Ökologie des Menschen“, also eine zeitgerechte und zukunftsfähige Wiederherstellung des durch allerlei gewalttätige Irrlehren weitgehend zerrissenen Lebensgespinstes aus Naturverbundenheit, Heimatliebe und Volkstumsbewusstsein. Und dazu gehört die Einsicht, daß das Menschengebilde „Staat“ nichts anderem zu dienen hat als dem Gottgedanken“.
Baldur Springmann gilt lange Zeit als Ikone der Grünenbewegung und als Ziehvater der Ökolandwirtschaft – in Brokdorf protestiert er gegen den Bau des Atomkraftwerkes. Mit der Grünen-Partei bricht er in den achtziger Jahren weil sie ihm zu „links“ und – mit viel Enthusiasmus gestartet – in den ausgefahrenen Bahnen der Bonner Parteienlandschaft erstarrt sind. Baldur Springmann wendet sich wieder alter „Naturreligiosität“ zu und gründet die Aktionsgemeinschaft Deutschlandliebender. Bis zuletzt propagiert er bäuerliches Leben, weg vom „Wachstumswahn“, aber auch „die Liebe zum Deutschtum“ und „Widerstand gegen die geplante Abschaffung des deutschen Volkes“.
In seinen letzten Lebensjahren lebt Baldur Springmann allein in einem Blockhaus auf dem Biohof, den sein Sohn Falk vor Jahren übernommen hat. Für seinen neunzigsten Geburtstag wünscht er sich: „Ich möchte nicht als lieber Opa betätschelt oder gar beweihräuchert werden, sondern selbst aktiv mitmischen.“ Baldur Springmann stirbt am 24. Oktober 2003 in Lübeck.